Katalog

30  Einführung d) Abziehen der überstehenden   Porzellanmasse mit der Ziehklinge  Herstellung der Porzellanlithophanie 63 Die Beschaffung von Detailinformationen erweist sich besonders dann als schwierig, wenn es sich um individuelle Verfahrenstechniken und Arbeitsabläufe handelt. Von jeher wurde spezielles Wissen als Betriebs- geheimnis gehütet. Das ist ein Grund dafür, warum über den Herstel- lungsprozess von Lithophanien eher grundlegende Kenntnisse bestehen. Die wesentlichen Details wurden selten schriftlich niedergelegt. Sie waren nur wenigen Auserwählten bekannt, und diese reichten sie an ihre Ver- trauten mündlich weiter. Daher ging über Generationen viel Wissen ver- loren. Dazu kamen Verluste von Dokumenten durch kriegerische Ereig- nisse, Brände und Diebstähle. Im Zuge wirtschaftlicher Verlagerungen und Neuzuordnungen gingen Archivalien in fremden Besitz über, wo sie vielleicht noch heute unerkannt und schwer wieder auffindbar lagern. Die nachfolgenden Informationen beruhen zum großen Teil auf Befra- gungen ehemaliger Porzelliner gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Sie liegen z. T. als Tonbandprotokolle und in schriftlicher Form vor. Als besonders informativ und detailreich erwiesen sich mehrere ausführliche Gespräche mit Gerd Leib, dem ehemaligen Chefmodelleur der Porzellanmanu- factur Schierholz Plaue, sowie mit Spezialisten anderer Manufaktu- ren. Dabei stellte sich heraus, dass die einzelnen Hersteller recht unter- schiedliche Verfahrensweisen benutzten. Aufbereitung der Porzellanmasse Die klassische Masse zur Herstellung von Porzellanlithophanien besteht aus einer Mischung der natürlichen Rohstoffe Porzellanerde (Kaolin), Feldspat und Speckstein. Der erste Schritt zur Aufbereitung der Masse ist das Schlämmen der Porzellanerde und das Aufbrechen und Feinmahlen der Gesteine Feldspat und Speckstein. Die daraus hergestellte Mischung bedarf anschließend einer sorgfältigen Säuberung. Siebe halten grobe Verunreinigungen zurück, Magnete entziehen noch vorhandene Eisen- bestandteile. Die Endreinigung übernehmen Filterpressen. Sie entlüften die Masse, entfernen die noch verbliebenen feinsten Verunreinigungen und verringern den Feuchtigkeitsgehalt des Masseschlickers von ursprüng­ lich bis zu siebzig Prozent auf ca. zwanzig Prozent. Das Ergebnis ist eine gut verarbeitungsfähige, bildsame Masse. Zu der Zeit, als noch jede Manufaktur ihre individuelle Mischung erzeugte, kam der zusätzlichen Mauke eine besondere Bedeutung zu. Dieser über eine längere Zeit sich hinziehende Verrottungsprozess bewirkte eine verbesserte Plastizität der Masse und damit leichtere Formbarkeit. Lithophaniemasse kann sowohl als hochbildsame feste Masse (zum Einschlagen) mit einem Wasseranteil von 24 bis 27 Prozent als auch als Schlicker (zum Gießen) mit einem Wasseranteil von 34 bis 37 Prozent zum Einsatz kommen. Vor Verwendung der Masse schlugen früher die Massemüller den Masseblock, teilten ihn, fügten ihn wieder zusammen, schlugen ihn erneut usw. Diese Prozedur währte mehrere Stunden. Durch die so erzielte Massedichte gewann das Material eine hohe Homogenität und machte es zur Herstellung von Lithophanien besonders geeignet. Die heute geforderte Wirtschaftlichkeit lässt solch langwierige Handarbeit nicht mehr zu. Inzwischen wurden die Prozesse weitgehend vereinfacht und automatisiert. Vielfach kaufen die Firmen vorgefertigte Porzellan- massen nach eigenenMischungsvorgaben auf dem internationalenMarkt. Diese können in den jeweiligen Manufakturen noch modifiziert, d. h. auf die speziellen Bedürfnisse abgestellt werden. Als bedeutender Rohmate- riallieferant gilt neben Frankreich (Limoges) heute auch China. Als G. F. C. Frick von der KPM Berlin die Idee zur Herstellung von Lithophanien hatte, entwickelte er dazu in mehrjähriger Arbeit eine besonders geeignete Porzellanmasse, die »Neue Berliner Lichtschirm- Masse«, ein Biskuitmaterial von äußerster Feinkörnigkeit und Transpa- renz. Das schon im 18. Jahrhundert verwendete Biskuitporzellan mit hohem Feldspatanteil und geringem Quarzgehalt genügte den neuen Ansprüchen nicht. Es diente zur Fertigung von Münzen, Medaillons, Figuren, Gefäßen oder anderen plastischen Erzeugnissen, aber auch zur Herstellung dekorativer Attribute an Tassen, Vasen usw. Erst mit der Wei- terentwicklung durch Frick war die Masse hinreichend dünn ausformbar, ohne beim Brennen zu reißen. Abb. 26 a–h Lithophanieherstellungsprozess   (Fa. Seltmann Weiden, Schierholz Plaue). Dargestellt ist die Wachsstecherin   Martina Zapfe 1998/99 (phot. Seltmann Weiden) a) Herstellung der Wachsform b) Einschalige Gießformen aus Gips c) Eingießen der flüssigen   Porzellanmasse

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